… zu dem Satzungs-beschluss zum B-Plan 177 (SV 2020/059-03) und Abschluss eines Erschließungsvertrages für das Erschließungsgebiet „Fliegerhorst Nord“
(SV 2020-395)
Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk
Charley-Jacob-Straße 1
38640 Goslar
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Junk,
von einem fachkundigen Bauunternehmer, der zuletzt an der Erschließung von drei Baugebieten in der Stadt Goslar maßgeblich beteiligt war, erhielten die Rats-fraktionen die nachstehenden Fragen bzw. Feststellungen.
Die FDP-Ratsfraktion möchte, bevor die Ratsgremien den Satzungsbeschluss fassen und den Erschließungsvertrag mit seinen vielfältigen Anlagen beschließen, verschiedene Punkte von der Verwaltung rechtsverbindlich beantwortet haben.
Wir sind der Meinung, dass ein umfassender Meinungsaustausch über den vorgelegten Erschließungsvertrag für die neuen Bewohner, aber auch für die Bevölkerung des Stadtteils Jürgenohl von großer Wichtigkeit ist, da er auf Jahrzehnte das Umfeld und die Umwelt nachhaltig gestaltet.
Unsere Fraktion möchte belegbare und schriftliche Antworten darauf, ob die Bedenken und Warnungen von Fachleuten und die vorliegende Nichtbeachtung bereits vorliegender Gutachten (Ackers) durch die Verwaltung der Stadt Goslar berechtigt und begründbar sind:
- Aus welchen Gründen wird von der normalen Straßenbreite in Neubaugebieten abgewichen und die Straßen weitestgehend ohne Geh- und Radwege geplant? Nach Fertigstellung werden, unter Berücksichtigung der geplanten rund 100 Wohnungen voraussichtlich mehr als 120 Familien mit bis zu 200 Kindern das Baugebiet bewohnen. Es besteht damit höchste Gefahr für die Kinder auf den Schulwegen. Mit welchen Argumenten wird diese Tatsache von der Verwaltung in der Planung nicht berücksichtigt bzw. dieses hohe Risiko in Kauf genommen?
- Wir erleben zurzeit aufgrund der Klimaveränderungen ein nie erlebtes Waldsterben im gesamten Umland Goslars. Trotzdem wird in dem Erschließungsvertrag, der eine neue Versiegelung bisheriger Waldflächen vor-sieht, im späteren „öffentlichen Bereich“ (ca. 7.120,00 m2) kein Baum ange-pflanzt und keine Grünanlage angelegt. Damit weicht die Verwaltung von den bisherigen verlangten Planungsgrundsätzen anderer vergleichbarer Bebauungspläne deutlich ab. Diese veränderte Verwaltungsvorgabe findet mit Sicherheit nicht die Zustimmung der Anlieger und Bürger. Wie wird diese unter-schiedliche Bewertung und Entscheidung der Verwaltung rechtlich begründet?
- Trotz der steigenden Bevölkerungszahlen werden mit drei Ausnahmen keine öffentlichen Parkplatzflächen außerhalb der Fahrbahnen ausgewiesen. Auch dieses unterscheidet sich deutlich nachweislich von der bisherigen Handlungsweise der Verwaltung bei anderen Bebauungsplänen. Wie lautet hier die Begründung?
- Es werden städtische Flächen in Anspruch genommen, ohne dies in den Sitzungsvorlagen zu erwähnen und damit den Ratsmitgliedern bewusst vorenthalten. Wir bitten um eine Erklärung und Darlegung darüber wie diese, wenig nachvollziehbare Vorgehensweise, von der Verwaltung begründet wird und warum wurden die darauf geplanten Anlagen (Parkplätze…) nicht wie üblich auf Flächen, die dem Investor gehören, zur Umsetzung vorgegeben? Wie sind bzw. wären mögliche Folgekosten für diese Flächennutzung geregelt?
- Es ist eine Ungleichbehandlung von Investoren durch die Stadt Goslar festzu-stellen. Im Vergleich zu diesem Baugebiet wurden für diejenigen Baugebiete, die in den letzten Jahren in der Stadt Goslar umgesetzt wurden, deutlich höhere Anforderungen in Bezug auf Straßenbreiten, Gehweganlagen, Parkraum, Grünflächen und Baumanpflanzungen gestellt. Siehe Tabelle:
Baugebietsvergleich |
Weidenstraße, Wiedelah |
Am Försterberg, Hahndorf |
Liethberg IV, Vienenburg |
Fliegerhorst Nord, Goslar |
Gesamtfläche |
9.355,00 m2 |
20.886,00 m2 |
40.778,00 m2 |
64.000,00 m2 |
Grundstücke |
12 |
23 |
46 |
64 |
Straßenbreite |
7,20 m |
9,00 m auf 344,00 m Länge und 6.00 m auf 90.00 m Länge |
11,00 m auf 580,00 m Länge und 6,00 m auf 200,00 m Länge |
maximal 6,00 m |
Öffentliche Parkplätze |
5 Stück (im Straßenbereich) |
13 Stück (außerhalb der Fahrbahn auf 195,00 m2) |
24 Stück (außerhalb der Fahrbahn) |
3 Stück (außerhalb der Fahrbahn), 25 Stück innerhalb einer nur 6.00 m breiten Straße, ohne Gehweg |
Straßenfläche |
1.080,00 m2 (11,6 %) |
3.836,00 m2 (18,3 %) |
6.400,00 m2 (15,7 %) |
7.120,00 m2 (11,1 %) |
Gehwege |
auf ganzer Straßenlänge in 1,25m Breite angedeutet |
344,00 m lang in 2,00 m Breite mit Hochbordanlage |
620,00 m lang in 2,00 m Breite mit Hochbordanlage |
keine |
Öffentliches Grün / Bäume |
20,00 m2 ; 4 Stck. |
2085,00 m2 auf Extrafläche und 12 Bäume |
680,00 m2 und 29 Bäume |
nichts / keine (bis auf Randbepflanzung am Spielplatz) |
Baugrundstücksfläche |
8.275,00 m2 (88,5 %) |
14.770,00 m2 (70,0 %) |
33.698,00 m2 (82,6 %) |
56.880,00 m2 (88,9 %) |
Aus welchen Gründen verzichtet die Verwaltung hier auf die bisher üblichen und sinnvollen Anforderungen in dem Erschließungsvertrag mit dem Fliegerhorst-Investor?
- Es entsteht hier der Verdacht der vermeintlichen Vorteilsgewährung des Investors durch die Stadtverwaltung. Für die Bürger ist es nicht nachvollziehbar, da dieser Investor widerrechtlich durch das Abholzen des Waldes bestehendes Recht gezielt gebrochen hat und nun durch offensichtliche Sonderrechte (und damit Kostenein-sparungen) in Bezug auf Straßenbreiten, Gehweganlagen, Parkraum, Grünanlagen und Baumpflanzungen bzw. Baumerhalt belohnt werden soll. Die genannten Planungsaspekte für dieses Baugebiet werden der Profitmaximierung des Investors sang- und klanglos geopfert. Andererseits besteht die gleiche Verwaltung auf die strikte Einhaltung z.B. der Altstadtsatzung und anderer Bauauflagen gegenüber den “normalen” Bürgern. Wie begründet die Verwaltung, die nach den vorgelegten Zahlen zu vermutende Ungleichbehandlung von Investoren und anderen Bauherren?
Argumente im Einzelnen:
In dem ca. 64.000m2 großen Baugebiet sind 64 Baugrundstücke geplant, wobei ein Grundstück (ehemaliger Garagenhof) allein 55 Wohneinheiten auf einer Fläche von ca. 11.300,00 m2 ohne vom B-Plan vorgegebene Grünflächen erhält. Für diese Wohneinheiten dienen die denkmalgeschützten Garagenanlagen möglicherweise als Einstellplätze. Außerhalb dieser Fläche wird das Wohngebiet durch mehrere Straßenzüge mit einer Gesamtlänge von ca. 1.255,00 m in überwiegend 6,00 m Breite erschlossen. Dabei ist die Fahrbahn der Planstraße „A 1“ auf 200,00 m nur 5,50 m bzw. 3,50 m breit. Die Planstraße „C2“ hat auf ca. 90,00 m eine Breite von 5,50 m.
Alle Straßen im Baugebiet außer dem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Teil der Planstraße A1 haben keinen Gehweg, zudem sollen auf der Fahrbahnfläche Parkplätze bereitgestellt werden, was die Straßen zusätzlich schmaler macht. Auf Höhe des Bestandsgebäudes 85 hat die Hauptzufahrtsstraße ins Baugebiet (Planstraße A) nur eine Breite von 3,50 m, so dass an dieser Stelle kein Begegnungsverkehr möglich ist. Warum verschwenkt man die Straße nicht, um Begegnungsverkehr zu ermöglichen?
Die später öffentliche Straßenfläche wird ca. 7.120 m2 groß sein, was etwa 11,1% der Gesamtfläche ausmacht. Auf dieser Straßenfläche ist kein öffentliches Grün und kein Baum planerisch berücksichtigt. Die in der GZ veröffentlichte Skizze ist irreführend. Zwar heißt es in der Begründung zum B-Plan, dass Baumpflanzungen zusammen mit 33 öffentlichen Stellplätzen vorgesehen seien, tatsächlich gibt dies aber weder der B-Plan noch die mit dem Erschließungsvertrag vorgelegte Planung her.
Tatsache ist, dass der Investor ganze 45 m2 Fläche = 0,07 % (von 64.000,00 m2) an dem in West-Ost-Richtung verlaufenden Abschnitt der Planstraße „A1“ nur mit den Parkplätzen Nr. 19, 20, 21 öffentlich zur Verfügung stellt.
25 Parkplätze in je 5,00 m Länge und zwei Meter Breite werden im Randbereich der 6,00 m breiten Fahrbahnen, aber im Fahrbahnbereich, angeordnet. Optisch wird das durch ein farbiges Pflaster erreicht, bei dann nur noch 4,00 m breiter Fahrbahn. Fünf „öffentliche“ Parkmöglichkeiten (Nr. 30-34) wie auch eine Gehwegverbindung sind außerhalb des Fliegerhorst-Grundstückes auf einem ca. 900 m2 großen städtischen Grundstück angeordnet. Dieses könnte auch auf der Fläche des Investors geschehen, jedoch würden diesem dann ca. 900,00 m2 Bauland im Wert von ca. 130.000,00€ verloren gehen. Frage: Sind die Ratsgremien über die Nutzung des städtischen Grundstücks informiert? Wurde das städtische Grundstück vom Investor erworben? Zum Vergleich: Die Baugrundstücke werden mit 145,00 €/m2 verkauft.
Der Investor ist bei einer öffentlichen Fläche von 7.120,00 qm für keinerlei öffentliches Grün zuständig! Alle vorgesehenen Pflanzmaßnahmen liegen allein in der Verantwortung der zukünftigen Grundstückseigentümer. Dass die Bauherren auf ihren Grundstücken auf eigene Kosten vom B-Plan vorgeschriebene Anpflanzungen vornehmen müssen, ist übrigens eine Selbstverständlichkeit und steht in jedem Bebauungsplan. Sie können aber nicht öffentliches Grün ersetzen, für das der Investor zuständig wäre!
In Anbetracht, dass voraussichtlich mehr als 110 Familien in das neue Wohngebiet ziehen werden, mit sicherlich bis zu 200 Kindern, ist es verantwortungslos, so schmale Straßen überwiegend ohne Gehwege zu genehmigen. Wer trägt dafür die Verantwortung?
Auch im Vergleich zu anderen Baugebieten ist es erstaunlich, dass in diesem Baugebiet so schmale Straßen, auch ohne Gehwege, erlaubt sind und öffentliches Grün, wie Sträucher, Bäume oder Wiesenflächen, nicht gefordert werden.
In der beigefügten Tabelle habe ich die letzten drei Baugebiete, für die ich verantwortlich oder mitverantwortlich war, mit dem geplanten Baugebiet Fliegerhorst-Nord verglichen, um die Unterschiede deutlich zu machen.
Um es auf den Punkt zu bringen:
Bei dem kleinen Baugebiet Wiedelah mit 9.355 m2 musste der Investor eine Straßenbreite von 7,20 m liefern und Baumanpflanzungen vornehmen.
Bei dem mittleren Baugebiet Hahndorf mit 20.886 m2 wurde eine Straßenbreite von 9.00 m gefordert sowie Gehwege mit Hochbordanlage, Bäumen, Parkplätzen und Grünflächen.
Bei dem größeren Baugebiet Vienenburg mit 40.778 m2 wurde eine Straßenbreite von 11,00 m gefordert sowie Gehwege mit Hochbordanlage, Bäumen, Parkplätzen und Grünflächen.
Bei dem großen Baugebiet „Fliegerhorst Nord“ mit 64.000 m2 wird eine Straßenbreite von 6,00 m und weniger gefordert, überwiegend ohne Gehwege und Hochbordanlagen, ohne separierte Parkplätze und ohne Grünflächen.
Jeder eingesparte Quadratmeter öffentliche Fläche bringt zusätzliche Baulandfläche und Gewinn für den Investor, geht aber zu Lasten von Grünflächen, Umweltschutz, Verkehrssicherheit und Aufenthaltsqualität!
Andere Investoren sind entsetzt, wie die Stadt Goslar, welche die Planungshoheit inne hat, die vorgenannten, wichtigen Planungsaspekte für ein Baugebiet, der Profitmaximierung eines Investors untergeordnet hat.
Die FDP-Ratsfraktion hält es für wichtig und legitim, dass Investoren eine gute Rendite erzielen können. Die Stadtverwaltung und der Rat müssen aber Grenzen ziehen und vor allem die Interessen der Allgemeinheit nachdrücklich vertreten.
In dem Satzungsbeschluss 2020/059-03 entsteht jedoch der Eindruck, dass grundsätz-liche Interessen der Bevölkerung nicht berücksichtigt werden. Es ist zu befürchten, dass diese notwendigen Korrekturen und Umbauten dann später auf Kosten der Stadt und damit der Bürger vorgenommen werden müssen.
Mit freundlichen Grüßen
FDP-Ratsfraktion Goslar
Christian Rehse Jürgen Lauterbach